Zu THE IMITATION GAME von Judith Altmeyer
The Imitation Game, so heißt ein Film aus dem Jahr 2014, in dem Benedict Cumberbatch Alan Turing spielt, der sich der Aufgabe gegenübersieht, eine Verschlüsselungsmaschine der Nazis, Enigma, zu enträtseln, und die eigene Lebenssituation gleich dazu. Im jetzt genau zehn Jahre später von der Frankfurter Theatermacherin Judith Altmeyer für das Produktionshaus Naxos konzipierten Stück geht es um ganz andere Rätsel, die da am Horizont auftauchen; aber dieses Stück heißt nun gerade auch The Imitation Game. Ist das jetzt ein Recall? Ein versteckter Hinweis? Ein Glitch? Ein – äh – imitation game? Mit diesen Fragen sind wir schon mitten in einem Spiel mit eigenen Regeln – in einem noch dazu, in dem ge-copy/paste-t wird, was das Zeug hält. Denn: K.I. oder K.I.? Das ist hier die Frage. Künstliche Intelligenz oder Künstlerische Intelligenz? Diese Frage steht hier im Mittelpunkt, bei den unterschiedlichen Spiel-Formaten: Wer von den beiden kriegt die eine oder andere Aufgabe jetzt besser hin? Es sind die großen Fragen, die da für die Kunst (und nicht nur für die) mitschwingen: Werden Programme hinterrücks die künstlerische Expertise ersetzen, peu à peu, in den kommenden Jahren? Auch auf den Bühnen? Auch in der freien Theaterszene? K.I. oder K.I.: Das müssen wir als Publikum immer wieder neu entscheiden, bei aller Absurdität, die herrscht, wenn klar ist, dass die eine Abkürzung wie die andere klingt und wir irgendwie als Beobachter*innen dieser Situation eigentlich überhaupt keine agency haben. Schreien werden wir die Antworten trotzdem, und in der Wiederholung wird da dann von der Tribüne Belustigung ebenso mitklingen wie ein wenig Verzweiflung. Theater als imitation, Theater als game: Altmeyer schafft es mit ihrer Co-Regisseurin Ekaterine Giorgadze und einem großen, fantastische Effekte zaubernden Team, die große Spektakelmaschine anzuwerfen und dabei als Moderatorin in ihrer eigenen Challenge-Erfindung immer wieder unterzugehen, nur um im nächsten Moment wieder triumphierend aufzutauchen. It’s a wild ride. Aber: Judith Altmeyer hat alles im Griff. Die eigenwilligen Maschinen, die sich selbst produzierenden Grafiken, die Probleme bei der Jobsuche, die apokalyptischen Visionen, all das ist ja, in verschrobener, frecher und überzogener Weise, nur inszeniert. Oder?
Bernhard Siebert, 2024
Meisterin des Desasters
Judith Altmeyer spielt Late Night Show
FRANKFURT Wer sich in der freien Theaterszene der Region bewegt, muss ihr schon begegnet sein. Zwei- felsohne ist Judith Altmeyer, Jahr- gang1989 und seit Langem Mitglied d e rZaungäste um Susanne Zaun, eine Entertainerin von Rang. Vor allem, weil sie die herkömmlichen Mittel der Unterhaltung nicht nur beherrscht, sondern permanent unterläuft. Man weiß im besten Fall nie, woran man ist.
Wurde also Zeit, dass sie das mal
allein und im großen Stilausprobiert, im Studio des Mousonturms und mit
einem Ensemble, das sich manches große Privattheater nicht leistet: Liveband. Sidekick; Anheizerin, ein waschechterStripper sind mit von der
Partie in der „Esca-Late Night Show" denn Altmeyer und Ko-Regisseurin Laila Gerhardt haben ein hohes Ziel: eine Show, die sorichtig in die Binsen geht. Oder vielmehr die Treppe runterfällt. Daskalkulierte Scheitern, mit einer Moderatorin unterm Tisch, einer Kinderreportage und viel Sah- netorte, beruht auf einem Eskala- tionsmodell in Treppenform. Motto: „The show must go down".
Nieder mitdem breitbeinigenGeha-
be zu später Stunde, dem Gefläze auf Bürostühlen, dem Vorführen von Gäs-
ten. Ach nein, das ist ja das Kernge- schäft, auch wenn jetzt eine Frau die
Hosen anhat, haha. Nur sinddie Gäste: .wir. Das Publikum muss kräftig mit- tun, um diese Show zu Ende zu brin- gen, und wer Mitmachtheater schon immer gehasst hat, ist hier an der rich- tigen Stelle. Denn man darf es aus vol- lem Herzen zugeben. Wie vieles ande- er auch, bis zum bitteren Ende. Das
hakt in der Dramaturgie und an der allzu starren Treppentheorie, die nicht hält, was Desaster verspricht. Wohin die Reise aber gehen könnte, in solch einem
Altmeyer-Anti-Anchorman- Format, wird durchaus sichtbar. Also gebt ihr eine Show.
Eva-Maria Magel, FAZ, 24.01.2023